Wir sind aufeinander zugegangen

Was ist mit der Kraft der Christen los? 

Der Titel der Ausstellung irritiert und bestärkt zugleich. Einerseits stellt er die gegenwärtige Situation des christlichen Lebens in Frage, andererseits erinnert
er an vorhandenem Potential. Das folgende Gespräch wurde im Zuge der Ausstellung zwischen dem Künstler IGADiM und Werner Knoor geführt:


Werner Knoor
Der Titel der Ausstellung provoziert die Gegenfrage: „Was soll denn los sein?“

 

IGADiM
Viel zu wenig ist los! Mir kommt es so vor, als seien die brennenden und alten Fragen nicht intensiv genug gestellt: "Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?" Man meint vielmehr:  "Wir kommen sowieso nicht dahinter!

" Oder die Frage: „Was geschah denn da auf Golgatha?“ Wie viele Menschen haben da nur ein müdes Lächeln auf den Lippen, wenn nicht gar Hohn und Spott! Man meint, darüber ist man längst hinaus, was geht das uns noch an? Neue Energie muss da hinein, Neugierde auf das Leben!


WK
Was heißt das: Neugierde auf das Leben?


IGADiM
Schauen wir uns die Kinder an, wie sie staunend in die Welt blicken. Es gibt noch so vieles zu entdecken, auch für uns Erwachsene. Die Menschen, zum Beispiel, sind uns unbekannt. Diese Wesen mit Körper, Seele und Geist. Viel
zu sehr hängen wir am Körper fest, obwohl Menschen doch primär geistige Wesen sind.


WK
Einspruch. Der Christ sieht den Menschen, wie sie ja auch sagen, als Leib-Seele- Geist- Einheit. Das Geistige gehört dazu, ist aber nicht alles.

 

IGADiM
Stirbt der Mensch, legt er den Körper ab. Den nimmt er nicht mit, der bleibt in der Erde. Da der Mensch ein geistiges Wesen ist, kommt er über den Tod hinaus. Dabei könnten wir von Geist-Leib sprechen. Seine Reise geht weiter. Vor vielen Jahren schrieb ich: „Überzeitliche Wanderer sind wir,  Stationäre auf der Erde.“

Dass es mit dem Tod nicht zu Ende ist, dessen bin ich sicher. Empfinden wir nicht schon,  wie das Geistig-Seelische gegenüber dem Körper an Selbstständigkeit gewinnt?


WK
Was heißt aus Sicht des Künstlers überhaupt: „Kraft der Christen?“


IGADiM
Die Ausstellung im St. Peter zeigt zwei vergoldete Bronzetafeln: „Die 2 Tafeln von IGADiM“. In ihnen sind Worte von mir eingeschrieben, die auf ein Ereignis hinweisen, das vor vielen Jahren geschah. Erst danach befasste ich mich intensiver mit dem christlichen Gedankengut und mit der Bibel und mir wurde durch dieses Erlebnis im Jahre 1972 bewusst, dass wir Menschen unsere geistigen Begleiter haben.

Daraus schöpfe ich allergrößte Kraft!

Die geistige Basis all meiner Werke ist hier zu suchen und zu finden.

Die Antwort auf Ihre Frage nach der Kraft könnte sein: Mut - zum Leben haben! Sich auch dann für etwas einsetzen, wenn nicht alle der gleichen Meinung sind.

Aber, weshalb sollten wir den haben? Weshalb Zuversicht, da doch so viel Chaos in der Welt ist? Wohin sollen wir uns wenden, um zu erfahren, dass es Gründe gibt zuversichtlich zu sein? Dazu noch über dieses Leben weit hinaus!

Meine Antwort: "Aus der Kunst heraus"! Aus der Erkenntnis was durch Christus,
durch sein Leben und seine Auferstehung, in der Begegnung mit Paulus vor Damaskus geschah.

Das darf nicht ohne tiefen Eindruck an uns vorüber gehen! Das ist größte Kultur! Hier gilt es Hochachtung vor dem Geistigen zu ent­wickeln.


WK
Was hat dieses Thema mit Kunst zu tun? Werden hier nicht die Bereiche Kunst und Glaube vermischt?


IGADiM
Da komme ich noch einmal auf Golgatha zurück. Als Künstler! Dieses Thema gehört zu meinem Leben.

Ich bin nicht da ein Künstler, dort ein Christ.

Unerwartet stand für mich die Frage im Raum: "Was geschah denn da auf Golgatha?"

Ich war mir sicher, hinter dem ‚Vorhang‘ tut sich was. Der Extrakt unseres Lebens wird aufgehoben und bewahrt. Mit der Skulptur Rostmauer brachte ich früh zum Ausdruck, dass es mehr gibt im Leben als das, was wir gewohnt sind wahr zu nehmen; Begrenzungen fallen.

Wir sehen wie nahe Kunst und Glaube beieinander sind. Hinter dem sinnlich Erfahrbaren tut sich eine größere Wirklichkeit auf.

 

WK
Aber mit dieser Art von Kunst sprengen Sie den üblichen Rahmen des christlichen Kunstverständnisses.

 

IGADiM
Ja, ich sprenge ‚Rahmen‘. Nur so kommen wir weiter. Sollten wir nicht danach fragen, wo Christus heute zu suchen ist?
Finden wir Ihn? Haben wir die Fähigkeit geistig höher zu steigen, uns zum Übersinnlichen zu erheben?

Achten wir auf Signale, die uns aus der geistigen Welt gegeben werden?

Wissen wir sie zu deuten, erkennen wir sie?

Ich teile etwas mit, was ich erfahren durfte.

In den 2 Tafeln ist von Michael und Christus die Rede.

Mein Herz war dafür offen.

Vielleicht war das meiner intensiven Suche zu verdanken? Ich weiß es nicht. Ein Grundvertrauen hat sich gebildet und ich empfinde die Heraus­forderung auf Menschen zuzugehen, um gemeinsam mit ihnen zu gestalten. Mein Name hat damit zu tun. IGADiM bedeutet: IchGlaubeAnDieMenschen.

 

WK
Ihre geistige Erfahrung ist eine persönliche, die nicht jeder Mensch erlebt. Somit ist es schwer die Botschaft nahe zu bringen. Selbst Sie als Künstler stoßen an Grenzen. Wie kann man damit umgehen?


IGADiM
Ich teile das mit, was ich erlebte. Das ist richtig und obwohl es eine persönliche Erfahrung war, könnte sie sehr wohl auch andere Menschen interessieren und bewegen. Denn ich wurde ja als Mensch angesprochen.

Vielleicht stehe ich mit diesen Mitteilungen und mit dieser Botschaft alleine da.
Erst einmal. Und Grenzen, die  gibt  es immer. Das sollte uns nicht schrecken! Die gibt es außen, doch besonders in uns Menschen. Wir sind im Werden, keine fertigen und abgeschlossenen Wesen. Wir befinden uns in einem Reifeprozess.

 

WK
Der durch die Kunst in Erinnerung gebracht und angetrieben wird?

 

IGADiM
Ja, ich denke schon. Die Kunst trägt dazu bei.

 

WK
Sie nutzen die Kunst um die Würde des Menschen aufzuzeigen. Verstehen die Menschen ihre Aktionen?
Ich frage deshalb, weil die Kirche auch den  Menschen in den Mittelpunkt stellt. Doch trotz vieler Aktionen erreichen wir immer weniger. Wird die Kraft der Christen falsch eingesetzt?


IGADiM
Ja, es geht um die Würde des Menschen. Vor Jahren verteilten wir Flugblätter, darauf stand: „Die Kunst verdichtet sich immer mehr zu der Frage: Wie gehen wir eigentlich miteinander um?“.

Sie sehen, es geht nicht darum schöne Bilder zu malen. Da ist mehr verlangt. Wobei gegen schöne Bilder nichts einzuwenden ist.

Und Menschen sind sehr wohl zu erreichen, sie machten bei meinen Aktionen mit. Viele von ihnen hatten nie etwas mit einem Künstler oder einer Kunstaktion zu tun.
Ich hatte sie neugierig gemacht und sie wollten dabei sein, weil sie eine Einmaligkeit spürten.

Ob die  Kraft der Christen falsch eingesetzt wird, wo und wie viel Menschen sich engagieren, das vermag ich nicht zu beurteilen. Aber sie sagten mir ja, dass immer weniger Menschen erreicht werden.

Zunächst ist es für mich unverständlich, dass sich Menschen mit diesem einseitigen materialistischen Denken zufrieden geben. Schauen wir das Thema dieser Aus­stellung an: "Was ist mit der Kraft der Christen los"?

Da schimmert natürlich Kritik hindurch. Denn durch diese Frage soll etwas angestoßen werden. Nach Kräften wird gefragt, nach Engagement, nach Handlungen, - wie stehen Christen zum Christentum? Wie gehen Christen damit um, was in der Kirche geschieht? Sind sie damit einverstanden? Wie sieht es mit der Mündigkeit und Mitsprache der Christen innerhalb und außerhalb der Kirche aus? Was wissen wir von Menschen, die gläubig sind, doch Kirchen nicht betreten und welche Gründe haben sie? Viele Fragen. Und die Antworten könnten nur von diesen Menschen kommen.
 
Wir sollten uns mit der christlichen Botschaft befassen!
Herausfinden, was Menschen uns mitzuteilen haben. Gespräche miteinander führen über Themen, die gar nicht bedeutsamer und interessanter sein könnten!

Oder die Frage:

„Wo und wie ist Christus heute zu finden?“
Denn so wie Er einmal kam, wird Er nicht wieder kommen. Wir Menschen müssten  zu Ihm ‚geistig höher‘ steigen.
Der Mensch darf nicht klein geredet, reduziert werden auf Körpermaß! Wir haben dazu Fähigkeiten und entwickeln uns.


WK
Und diese Fähigkeiten liegen brach? Das erinnert mich an ihren Lehrer Joseph Beuys.

IGADiM
Fähigkeiten zeigen sich wenn wir uns fordern oder wenn wir gefordert werden.Das wird jeder erfahren. Wächst der Wille uns Herausforderungen zu stellen und bestehen wir sie, gehen wir gestärkt daraus hervor. Das stärkt unser Selbstbewusstsein. Das macht uns frei. Beuys wusste das. Viele andere Menschen auch. Mit Beuys sprach ich später nur einmal über das Ereignis, das mir größte Kraft und
Zuversicht gab und gibt.

Das ist nicht angelernt. Vielmehr eine ‚Herzensangelegenheit‘.  Das Herz, dieses Kommunikationsorgan spielte eine ent­scheidende Rolle.

Durch die 2 Tafeln gebe ich das gerne weiter. Meine Fähigkeiten als Künstler bringe ich ein. Die Geistige Welt tut sich für uns auf. Was hier- und dort geschieht, wie die Zusammenhänge sind, das ist es, was uns auch in Zukunft noch sehr, sehr beschäftigen wird.


WK
Im Mittelpunkt Ihrer Kunst steht der Mensch und die Schöpfung. Kann man das so sagen?


IGADiM
Diese Frage beantworte ich sogleich mit: Ja. Ganz sicher ist das so! In jungen Jahren hatte ich Erlebnisse an der Schwelle zwischen Leben und Tod, die mir deutlich zeigten, dass es mehr gibt, als diese sichtbare Welt.

Damals nach einer Operation wäre es nur ein Schritt über die Schwelle zur anderen Seite gewesen. Heute denke ich: Da stand ich als Kind mitten in der Schöpfung. So empfand ich das. Der Mensch ist eingebunden in der Schöpfung, mit all den Fragen, die da sind und die noch kommen. Aber, und das ist entscheidend, neben den Fragen gibt es Antworten. Antworten aus der Geistigen Welt. Sie lebt in uns, - wir sind von der Geistigen Welt umgeben.


WK
Wie sieht aus Sicht des Künstlers ein gelungener Dialog mit der Kirche aus?


IGADiM
Papst Johannes Paul II hat das formuliert. Er stellt dem Schreiben An die Künstler folgende Sätze voran:
„An alle, die mit leidenschaftlicher Hingabe nach neuen Epiphanien der Schönheit suchen, um sie im künstlerischen Schaffen der Welt zum Geschenk zu machen.“
Als Epiphanie bezeichnete ich auch das, was ich 1972 erlebte. Wie ich als Künstler gestalte, was ich besonders durch die 2 Tafeln mitzuteilen habe. Das möchte ich weiter reichen.
 
Durch die Ausstellung in St. Peter sind wir im Dialog: ‚Kunst und Kirche‘. Sie und ich, wir versuchen das.

Wie die Besucher reagieren, das wissen wir noch nicht.

Aber wir sind aufeinander zugegangen.

Ein Zeichen, dass wir bereit sind, einen Dialog zu führen. Vielleicht ist das erst ein Anfang.

Dafür danke ich Ihnen. Wir werden sehen, wie es weiter geht.