Gahlen vermißt Aktentasche
(10.Mai 1990)
Dieser Verlust schien von besonderem Interesse zu sein.
Deshalb gab IGADiM dieser Aktion den entsprechenden Titel:
„ Gahlen vermißt Aktentasche.“
Auf das große weiße Tuch hatte der Künstler, vor jeden der abgedeckten Sitzplätze der Kultur - Ausschußmitglieder, - ein weißes Din A 4 Blatt gelegt. Jedes dieser Blätter war „ gelocht “. Darauf
wurde besonders verwiesen, da diese Löcher von IGADiM zuvor schon mit Goldfarbe bearbeitet wurden, die er mit seinem Zeigefinger auf die Blätter ( Löcher ) drückte.
Die Blätter wurden von den Anwesenden garnicht wahrgenommen, zumindest wurde ihnen keine Bedeutung beigemessen. Jeder der Kulturausschußmitglieder wurde aber gerade dadurch in besonderer Weise „
aus der Kunst heraus “ angesprochen und herausgefordert. Denn, was hätte allein ein großes weißes Tuch für einen Sinn gemacht ?
Bevor das Tuch zusammengelegt wurde, sammelte IGADiM die Blätter ein. Es kam keine Frage: Ob das was zu bedeuten hat, oder möglicherweise, weshalb die Blätter denn da liegen ? Später sagte jemand
: „ Diese Aktion habe für ihn einen sakralen Charakter .“ Dem ist nicht widersprochen worden.
Die „ Löcher “ tauchen in den Arbeiten von IGADiM seit 1967 auf, bei der Aktion „ Mit Hammer und Meißel “, 1968, als er eine Wand lochte, bei den beiden „ Großen Lautsprechern “, im Ton - Band etc.
Vor diese Skulptur, das war 1987, - im Skulpturenmuseum Marl, schrieb der Künstler erstmals öffentlich seine Signatur „ IGADiM “
auf den Boden.
In verschiedener Weise erschienen diese „ Löcher “ immer wieder , „ hörbar “ während Aktionen, oder „ eßbar “, im Eßpapier, das an Besucher verteilt wurde. ( zB. während der „ Feuerradaktion “ )
Auch trug die sonnengelbe Flagge, die auf dem Atlantischen Ozean an einem Schiffsmast wehte, dieses Zeichen. Im Jahre 1991, während der Aktion : „ Open blue line, two flames and a golden
sign.“
Gahlen vermißt Aktentasche.
Perplex zeigte sich mancher im Kulturausschuß, als sich vor dem Start zur Sitzung Tische und Stühle im großen Rathaussaal mit einem riesigen weißen Leinentuch bedeckt fanden.
Wolfgang Wendker, den Recklinghäusern vor allem durch die Diskussionen um seine „ Luminata Alterna“ für das Süder Bürgerhaus bekannt, hatte den Treffpunkt der Kulturaußschußmitglieder zu einem - temporären - Kunstwerk umgeformt. // ... durfte mit den Reaktionen der Besucher zufrieden sein. Die wunderten sich zunächst einmal ( was bei Politikern manchmal schon etwas heißen will ).
Ausschußvorsitzender Hans D.S.: ( Namen hier gekürzt ) „ Es sieht nicht schlecht aus “.
Ursula J. - W. ( CDU ) „ Wir sollten uns alle darunter setzen .“
Kurt S. vom Amt für Öffentlichkeitsarbeit : „ Dann laufen sie alle wie Gespenster herum.“
Gespensterhaft muß es dem sachkundigen ( CDU ) - Bürger Heinz Gahlen zumute gewesen sein. Er vermißte am Schluß der Performance
seine Aktentasche.
Ob er sie wiedergefunden hat, war bei Redaktionsschluß nicht bekannt.
N. G. ( SPD ) half beim Zusammenfalten des Tuches mit Erfahrungen aus Jugendlagerzeiten aus : „Wie ein Großraumzelt zusammenlegen !“
WAZ, Recklinghausen Mai 1990
Was will uns der Künstler damit sagen?
Das war gestern Nachmittag die große Frage angesichts des weißen Linnens ( Bettlaken oder Leichentuch ? ), mit dem der Performance - Künstler Wolfgang Wendker vor der Zusammenkunft des Kulturausschusses Tische und Stühle im großen Rathaus - Saal verhüllt hatte.
Während einige der überraschten Ausschußmitglieder mutmaßten, der Erschaffer der „ Luminata Alterna “ am Bürgerhaus - Süd wolle
das kommunalpolitische Zu - Grabe - Tragen kultureller Ambitionen geißeln, wähnten andere ein Riesenbettuch für die Schlafmützen im Ausschuß vor sich zu haben.
Nicht entsprochen wurde dem konstruktiven Vorschlag Ursel J.-W. ( CDU ), unterm Tisch zu tagen ; nach einer gemeinsamen Enthüllungsaktion nahm die Sitzung ihren gewohnten Gang.
RZ, Recklinghausen